Depression bei älteren Menschen
Depression gehört neben demenziellen Erkrankungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Viele Menschen halten Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und ängstliche Verstimmungen für unvermeidliche Begleiterscheinungen des Alters. Dass sich dahinter jedoch eine Erkrankung verbergen könnte, die behandelt werden kann, ist häufig nicht bekannt.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Altersdepression nicht von einer Depression in jüngeren Jahren, doch gibt es einige Besonderheiten, die dazu führen können, dass Depression im Alter oft nicht oder spät erkannt wird.
Häufigkeit und Symptome
Schwere Depressionen sind im Alter nicht häufiger, nach einigen Studien sogar geringer als im jüngeren Erwachsenenalter. Laut der aktuellen Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland des Robert-Koch-Instituts (DEGS) erkranken 8,1 % aller Personen im Alter von 18 – 79 Jahren im Laufe eines Jahres an einer Depression, der Anteil der über 70-Jährigen liegt bei 6,1 % (1 u. 2)*. Allerdings sind leichtere, subdiagnostische depressive Erkrankungen 2-3 Mal so häufig bei Älteren zu finden wie eine voll ausgebildete Depression (Berliner Altersstudie). D.h. die gängigen Kriterien für die Diagnose einer Depression sind nur unvollständig erfüllt, dennoch beeinträchtigen die depressiven Symptome die Gesundheit und Lebensqualität, sodass sie genauso ernst zu nehmen sind (3-5)*.
Bei Patienten mit körperlichen Krankheiten und Behinderungen, aber auch denjenigen mit geringer sozialer Unterstützung ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer depressiven Erkrankung erhöht. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass depressive Episoden bei Bewohnern von Pflegeheimen fast zweimal so häufig auftreten wie bei gleichaltrigen Personen, die außerhalb von Institutionen leben (5)*.
Neben den klassischen Symptomen einer Depression sind bei Depression im Alter alterstypische Besonderheiten zu beobachten (6)*.
Dazu gehören beispielsweise:
- körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Verdauungsstörungen, Druck auf der Brust, Gewichtsverlust, Energieverlust, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Schlafstörungen
- sowie Krankheitsbefürchtungen und Ängste: z.B. generelle Ängste, Befürchtungen über nachlassendes Gedächtnis.
Das Erkennen einer Depression im Alter wird häufig erschwert, denn:
- der betroffene Mensch zeigt sein Leid nicht,
- es gibt häufig ein rein körperliches (= somatisches) Krankheitsverständnis: psychische Störungen werden weniger akzeptiert,
- die Abgrenzung zu Demenz gestaltet sich schwierig,
- häufig kommt es zu einem gemeinsamen Vorliegen der Depression mit weiteren psychischen und/oder körperlichen Erkrankungen (Multimorbidität).
Und: Nicht selten wird Depression als normale Begleiterscheinung von Alter oder Lebenskrisen verkannt. Jedoch ist höheres Alter mit seinen vielfältigen körperlichen Erkrankungen allein kein ausreichender Grund für Depression. Depression muss im Alter genauso konsequent behandelt werden wie in jüngeren Jahren.
Die zitierte Literatur finden Sie auf dieser Seite unter „Weiterführende Literatur“.
Diagnostik und Behandlung
Die Diagnostik einer Depression muss von einem Arzt vorgenommen werden. Speziell für ältere Patienten ist der Fragebogen „Geriatrische Depressionsskala“ (GDS (7)*) entwickelt und inzwischen auch im deutschen Sprachraum untersucht worden (8,9)*.
Depressive Episoden können im Alter durch bestehende Sprech- und Denkhemmung, durch Konzentrationsstörungen und durch Klagen der Patienten über Gedächtnisstörungen Ähnlichkeiten mit einer Demenz aufweisen (depressive Pseudodemenz). Depressive Patienten sind aufgrund der Konzentrationsstörungen leicht überfordert, was sich in Aussagen wie „ich weiß nicht“ äußern kann. Dies macht gerade im Alter die Diagnosestellung schwierig, da schnell an kognitive Beeinträchtigungen im Rahmen einer Demenz gedacht wird.
Zur Abgrenzung von depressiven Patienten mit kognitiven Leistungseinbußen kann die Vorgeschichte, das Alltagsverhalten, das Verhalten während der Untersuchung des Patienten sowie neuropsychologische Befunde und Ergebnisse struktureller Bildgebung und EEG-Untersuchungen herangezogen werden. Depressive Patienten sind in der Regel nicht desorientiert, das heißt, sie können auf Nachfragen beispielsweise das Datum und die Uhrzeit richtig angeben. Bei Demenzkranken ist dies häufig nicht mehr der Fall. Bei der Schilderung ihrer Beschwerden spürt man bei den depressiven Patienten den mit dieser Krankheit einhergehenden Leidensdruck, während Patienten mit dementiellen Erkrankungen ihre Beschwerden häufiger bagatellisieren oder dazu neigen, die Defizite zu verstecken.
Unterscheidung/Abgrenzung der Depression im Alter von einer Demenz (6)*
Anzeichen für Depression | Anzeichen für Demenz (Typ Alzheimer) |
---|---|
akuter Beginn | langsamer, unklarer Beginn |
depressive Symptome bleiben stabil | Stimmung ist eher instabil, Betroffener ist leicht ablenkbar, leicht umzustimmen |
Klagen über Zustand: „kann und weiß nichts mehr“ | wenig Klagen, Zustand wird verleugnet: „keine Probleme“ |
das Denken ist eher gehemmt, verlangsamt, aber nicht verwirrt | das Denken ist eher „durcheinander“ |
keine Orientierungsstörungen | Desorientierung |
abendliche Aufhellung | typisch: abendliche Verwirrtheitszustände, Tag-Nacht-Umkehr |
Weitere Informationen zu Symptomen, Diagnostik und Behandlung dementieller Erkrankungen finden Sie hier.
Eine Behandlung der depressiven Erkrankung ist bei älteren Patienten ebenso wichtig wie bei jüngeren Menschen. Sowohl Psychotherapie (z.B. kognitive Verhaltenstherapie) als auch pharmakologische Therapie haben sich dabei als wirksam erwiesen. Auch die Förderung von sozialen und körperlichen Aktivitäten sowie die Aufklärung des Betroffenen und der Angehörigen können wichtige Bestandteile der Behandlung sein. Bei der medikamentösen Therapie ist eine sorgfältige Auswahl des Antidepressivums durch den Arzt wichtig, da es aufgrund einer altersbedingt erhöhten Medikamenteneinnahme zu Wechselwirkungen mit anderen Präparaten kommen kann (10-12)*.
Eine konsequente Behandlung der Depression ist wichtig, da sie vor allem bei älteren Menschen einen lebensbedrohlichen Charakter annehmen kann.
Die zitierte Literatur finden Sie auf dieser Seite unter „Weiterführende Literatur“.
Weiterführende Literatur
Allgemeine Informationen zum Thema Depression finden Sie auch hier.
Artikel zum Thema Depression im Alter
- Wie lässt es sich im Alter glücklich leben? (Badische Zeitung online, 2012)
- Ein bitterer Lebensabschnitt (Focus, 2004)
Für Betroffene und Angehörige
- Hautzinger M (2006). Wenn Ältere schwermütig werden: Hilfe für Betroffene und Angehörige bei Depression im Alter. Beltz - Psychologie Verlags Union, Weinheim, Basel.
- Hüll M (2011). Die Anti-Depressions-Strategie im Alter. Verlag Herder.
- Schneider F, Nesseler T (2011). Depressionen im Alter: Die verkannte Volkskrankheit. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
- "Wenn die Seele krank ist - Psychotherapie im höheren Lebensalter", Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), 2019 (Downloadlink: http://www.bagso.de/fileadmin/Aktuell/Publikationen/2019/Wenn_die_Seele_krank_ist_2018_barrierefrei.pdf)
Für Fachkräfte
- Fellgiebel A, Hautzinger M (2017). Altersdepression – ein interdisziplinäres Handbuch. Springer.
- Greune M (2012). Suizidalität im Alter in Deutschland: Gefahren und Präventionsmöglichkeiten. Vdm Verlag Dr. Müller.
- Hautzinger M (2009). Depression im Alter. Erkennen, bewältigen, behandeln. Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm. Beltz - Psychologie Verlags Union, Weinheim.
- Hegerl U, Zaudig M, Müller HJ (2001). Depression und Demenz im Alter: Abgrenzung, Wechselwirkung, Diagnose, Therapie. Springer.
- Nationales Suizid Präventionsprogramm (2009). Suizidprävention im Alter.
Zitierte Literatur
1 Busch, M. A., Maske, U. E., Ryl, L., Schlack, R., & Hapke, U. (2013). Prävalenz von depressiver Symptomatik und diagnostizierter Depression bei Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 56(5-6), 733-739.
2 Kessler, R. C., Birnbaum, H., Bromet, E., Hwang, I., Sampson, N., & Shahly, V. (2010). Age differences in major depression: results from the National Comorbidity Survey Replication (NCS-R). Psychological medicine, 12(2), 225.
3 Linden, M., Kurtz, G., Baltes, M. M., Geiselmann, B., Lang, F. R., Reischies, F. M., & Helmchen, H. (1998). Depression bei Hochbetagten Ergebnisse der Berliner Altersstudie. Der Nervenarzt, 69(1), 27-37.
4 Weyerer, S., & Bickel, H. (2007). Epidemiologie depressiver Erkrankungen und suizidaler Handlungen. Epidemiologie psychischer Erkrankungen im höheren Lebensalter. Kohlhammer, Stuttgart, 115-136.
5 Meeks, T. W., Vahia, I. V., Lavretsky, H., Kulkarni, G., & Jeste, D. V. (2011). A tune in “a minor” can “b major”: a review of epidemiology, illness course, and public health implications of subthreshold depression in older adults. Journal of affective disorders, 129(1), 126-142.
6 Hegerl, I., Zaudig, M., & Möller, H. J. (2001). Depression und Demenz im Alter. Abgrenzung, Wechselwirkungen, Diagnose und Therapie. Springer-Verlag, Wien.
7 Yesavage, J. A., Brink, T. L., Rose, T. L., Lum, O., Huang, V., Adey, M., & Leirer, V. O. (1983). Development and validation of a geriatric depression screening scale: a preliminary report. Journal of psychiatric research, 17(1), 37-49.
8 Allgaier, A. K., Kramer, D., Mergl, R., Fejtkova, S., & Hegerl, U. (2011). Validität der Geriatrischen Depressionsskala bei Altenheimbewohnern: Vergleich von GDS-15, GDS-8 und GDS-4. Psychiatrische Praxis, 38(06), 280-286.
9 Gauggel, S., & Birkner, B. (1999). Validität und Reliabilität einer deutschen Version der geriatrischen Depressionsskala (GDS). Zeitschrift für Klinische Psychologie, 28(1), 18-27.
10 Pinquart, M., Duberstein, P. R., & Lyness, J. M. (2007). Effects of psychotherapy and other behavioral interventions on clinically depressed older adults: a meta-analysis. Aging & mental health, 11(6), 645-657.
11 Cuijpers, P., van Straten, A., Smit, F., & Andersson, G. (2009). Is psychotherapy for depression equally effective in younger and older adults? A meta-regression analysis. International psychogeriatrics, 21(01), 16-24.
12 Holthoff, V. (2013). Pharmakotherapie der Altersdepression. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 46(2), 112-119.
13 Statistisches Bundesamt (2012). Alter im Wandel.
14 Wiktorsson, S., Runeson, B., Skoog, I., Östling, S., & Waern, M. (2010). Attempted suicide in the elderly: characteristics of suicide attempters 70 years and older and a general population comparison group. American Journal of Geriatric Psych, 18(1), 57-67.
Die Texte wurden zur Verfügung gestellt
mit freundlicher Genehmigung des
Deutschen Bündnis gegen Depression e.V.

Bewegung hält im Alter fit
Wer sich regelmäßig bewegt, gewinnt Lebensfreude, gesteigerte Leistungsfähigkeit und eine bessere gesundheitliche Verfassung. Die Kampagne „Ich bewege mich – mir geht es gut!“ fördert in RLP leicht zugängliche Bewegungsangebote für Seniorinnen und Senioren.
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