Stottern – Ursache und Therapie
Donnerstag,
15. Mai 2025
Viele Eltern kennen das: Bei kleineren Kindern sind die Gedanken oft schneller als der Mund. Vor allem, wenn aufregende Erlebnisse berichtet werden, wiederholen sie Silben und Wörter, brechen Sätze ab und geraten ins Stocken. Aber nicht immer liegen Störungen im Redefluss an der Aufregung. Bei rund fünf Prozent aller Zwei- bis Sechsjährigen tritt echtes Stottern auf, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen. Meist verliert sich das Stottern wieder im Laufe der Entwicklung, aber bei etwa einem Viertel der Kinder verfestigt es sich. Je früher das Stottern erkannt und behandelt wird, desto besser ist es.
Hier können Sie den Gesundheitstext anhören:
Wie äußert sich Stottern?
Stottern ist eine Störung des Sprechablaufs, auch Redeflussstörung genannt. Sie äußert sich durch häufiges Wiederholen oder Dehnen von Lauten, Silben oder Wörtern. Buchstaben oder Silben werden mehrfach wiederholt, manche Laute kommen explosionsartig hervor. Hinzu kommt oft ein Zögern oder gar das komplette Innehalten im Redefluss. Wer stottert, neigt zudem dazu, Füllwörter zu benutzen oder die gefürchteten Wörter zu umgehen. Bei vielen Betroffenen ist das Sprechen mit emotionalen und körperlichen Begleitsymptomen wie starkem Blinzeln, zitternden Lippen, übertrieben wirkender Mimik oder Schwitzen verbunden. Jedoch sind die Symptome des Stotterns sehr individuell und können bei jedem Menschen anders sein.
Mögliche Ursachen des Stotterns
Auch wenn manche Eltern dies befürchten: Stottern beruht nicht auf psychischen Problemen, sondern ist eine motorisch bedingte Sprechstörung. Ausnahmen können schwere traumatische Erfahrungen sein. Vor allem aber hat Stottern nichts mit der Intelligenz eines Kindes zu tun. Die Ursachen liegen in der Hirnkoordination: Bei Stotternden wird die Sprechmuskulatur angesteuert, bevor die Planung der Wörter abgeschlossen ist. Es gibt verschiedene Faktoren, die die die Entstehung einer Stotter-Symptomatik begünstigen – dazu kann auch eine familiäre Vorbelastung gehören. Insgesamt sind die Ursachen jedoch nicht vollständig bekannt.
Stottern ist mehr als ein Sprachproblem
Wer stottert, für den ist jedes Gespräch, ja fast jeder persönliche Kontakt mit der bangen Frage verbunden: Werde ich meine Worte glatt und flüssig herausbringen können? Oder wird die Sprache wieder verrückt spielen? Stottern ist eine körperlich bedingte Störung, die ganz eng mit der seelischen Verfassung verknüpft ist. Schon bei Kindern ist Stottern schambesetzt, vor allem, wenn sie dafür gehänselt werden. Dazu kann Stress oder sogar Angst kommen, was zum Rückzug aus der Gemeinschaft führen kann. Kinder können Schüchternheit, Unsicherheit oder sogar Aggressivität entwickeln, weil sie sich in ihrer Umgebung ständig mit der Beeinträchtigung konfrontiert sehen. Etwas ältere Betroffene leiden auch darunter, dass sie ihre Gedanken oft nicht so aussprechen können, wie sie sie im Kopf haben. Als Ausweg bleibt nur, auf eine andere Aussage auszuweichen oder lieber gleich ganz zu verstummen.
Die wichtigsten Therapien
Ob sich das Stottern von Kindern „auswächst“, kann nicht vorhergesagt werden. Deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig um die Sprachauffälligkeit zu kümmern. Denn je länger das Stottern andauert, desto schwerer kann es durch Therapie behoben werden. Spätestens, wenn ein Vermeidungsverhalten festgestellt wird, ist es Zeit, mit dem Kind in ärztliche Beratung zu gehen. Generell gilt: Stottern ist behandelbar, und zwar schon im frühen Kindesalter. Die Therapiemethoden für Stotternde lassen sich in zwei Hauptrichtungen unterteilen:
Erstens: Das Erlernen von Sprechtechniken – Fluency Shaping
Die Methode des „Fluency Shaping“ zielt auf das Erlernen einer kontrollierten Sprechweise mit Hilfe bestimmter Sprechtechniken. Dabei lernen die Betroffenen, flüssiger zu sprechen, indem sie einem bestimmten Rhythmus oder einer Melodie folgen. Zum Beispiel klappt Singen oder das Aufsagen von Gedichten oft ohne Stottern, weil der Rhythmus dem Gehirn hilft, die verschiedenen Gehirnbereiche fürs Sprechen besser aufeinander abzustimmen. In der Therapie wird zunächst ein langsamer Sprechrhythmus mit einem Computer vorgegeben. Die Betroffenen üben dann, mit sanfter Stimme und bewusstem Atmen zu sprechen und dabei dem Rhythmus zu folgen. Durch das regelmäßige Üben lernt das Gehirn, die Sprechbewegungen besser zu koordinieren.
Zweitens: „Nicht-Vermeidungs-Strategien“
Stotternde Menschen entwickeln oft Vermeidungsverhalten, um stressreiche Sprechsituationen zu umgehen, etwa indem sie bestimmte Wörter nicht benutzen, nicht telefonieren oder sich in der Schule nicht melden. Ziel der Behandlungsmethode ist es, dieses Vermeidungsverhalten abzubauen. Es kann zwar kurzfristig Stress reduzieren, verstärkt ihn aber langfristig, weil die Angst vor dem Sprechen erhalten bleibt oder wächst. Betroffene sollen lernen, die Störung zu akzeptieren, statt dauerhaft damit zu hadern. Entspannungs- und Beruhigungsmethoden können dabei unterstützen. Das angstfreie, selbstbewusste Sprechen, auch vor und mit Fremden, steht im Mittelpunkt der Therapie. Zudem helfen verschiedene Techniken der sogenannten Stotter-Modifikation, auftretende Stotter-Symptome aufzulösen.
Das Lidcombe-Programm für Kleinkinder
Für Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren kommt auch das australische Lidcombe-Programm in Frage. Dabei werden die Eltern zu Co-Therapeuten herangebildet und lernen, Kinder in strukturierten Spielsituationen für flüssiges Sprechen zu loben und hin und wieder unverkrampft auf das Stottern hinzuweisen. Eine solche Verhaltenstherapie funktioniert aber nur bei jüngeren Kindern, weil sie besonders gut auf Lob reagieren.
Das können Sie als Eltern eines stotternden Kindes tun
Ganz wichtig ist, das Selbstvertrauen des Kindes zu stärken. Das heißt:
- Nehmen Sie Ihr Kind mit seiner Sprechweise an. Nicht ohne Grund lautet das Motto der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe „Ich sag’s auf meine Weise“
- Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, nicht gegen das Stottern anzukämpfen.
- Hören Sie ruhig, zugewandt und geduldig zu, wenn Ihr Kind etwas erzählt.
- Lassen Sie Ihr Kind zu Ende sprechen, ergänzen Sie Wörter und Sätze nicht, auch wenn Ihnen das Fehlende auf der Zunge liegt.
- Halten Sie beim Zuhören Blickkontakt.
- Machen Sie deutlich, dass es wichtig ist, WAS Ihr Kind sagt, und nicht, WIE es etwas sagt.
- Stehen Sie offen dazu, dass Ihr Kind stottert und zeigen Sie so, dass es keinen Grund gibt, sich dafür zu schämen.
- Achten Sie darauf, dass im Gespräch andere Geräuschquellen, wie z.B. Fernsehen oder Radio, ausgeschaltet sind.
Bei Entwicklungsstottern: Geduldig bleiben
Entwicklungsstottern tritt bei vielen Kindern zwischen zwei und vier Jahren auf, wenn sich die Sprache noch entwickelt. Dies sind altersgemäße Sprech-Unflüssigkeiten. Eltern sollten geduldig bleiben, ihr Kind ausreden lassen und nicht verbessern. Helfen können sie, indem sie die herausgesprudelte Geschichte geordnet wiederholen, die Erzählung des Kindes dabei bestätigen und ihm auch neue Wörter anbieten. Sprech-Unflüssigkeiten verschwinden in der Regel bis zum Schuleintritt.
Generell gilt: Wenn Sie die Sprechweise Ihres Kindes verunsichert oder ihr Kind darunter leidet, holen Sie sich ärztlichen Rat, zum Beispiel im Rahmen einer Früherkennungsuntersuchung. Die Sprachentwicklung ist hier immer ein Thema, besonders bei der U9 vor dem Schuleintritt. Ihre Kinderärztin oder Ihr Kinderarzt kann entscheiden, ob eine fachliche Beratung oder eine Therapie nötig ist.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Susanne Schneider, freistil-texte.de; Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de
Weiterführende Links zum Thema:
Die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. erklärt Stottern aus Sicht der Betroffenen, bietet Beratung und Infomaterial an und listet Selbsthilfeangebote in ganz Deutschland auf.
Der SWR zeigt einen Erfahrungsbericht.
Der Landesverband Stottern & Selbsthilfe Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. informiert über Therapie, Selbsthilfegruppen und Seminare
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Birgit Kahl-Rüther
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