Psychische Folgen der Corona-Pandemie – für depressiv Erkrankte besonders schwer
Initiative Bündnisse gegen Depression informiert zum Deutschland-Barometer Depression
Viele Menschen litten und leiden unter den vielfältigen Folgen der Corona-Pandemie, doch eine Bevölkerungsgruppe war häufig nicht im Fokus: Menschen mit Depression. Sie haben aufgrund ihrer Krankheit unter Maßnahmen wie Lockdown und Kontaktbeschränkungen besonders schwer zu tragen. Den Blick der Öffentlichkeit auf ihre Bedürfnisse zu richten und Wissen über die Erkrankung zu vermitteln, hat sich die Stiftung Deutsche Depressionshilfe zur Aufgabe gemacht. Ihr Deutschland-Barometer Depression, eine seit 2017 jährlich durchgeführte repräsentative Online-Befragung, zeigte: Auch für psychisch gesunde Menschen ist die Pandemie eine Belastung, für Menschen mit Depression aber hat sie zeitweise zu massiven Einschnitten in der medizinischen und therapeutischen Versorgung und zum Wegbrechen der wichtigen Alltagsstruktur geführt.
In einer Online-Veranstaltung informierte Dr. Andreas Czaplicki vom Forschungszentrum Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe über ausgewählte Ergebnisse der Erhebungen 2020 und 2021. Eingeladen hatte die Initiative Bündnisse gegen Depression, die bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG) angesiedelt ist und vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit gefördert wird. Eine der Hauptaufgaben der Initiative ist Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Depression. Die Veranstaltung zum Deutschland-Barometer Depression war Teil eines mehrteiligen Online-Informationsangebots, das noch bis Januar geht.
Stimmung weiterhin bedrückend
Die verschiedenen Befragungen im Rahmen des Deutschland-Barometers Depression machen den Verlauf der Stimmung unter dem Eindruck von Corona deutlich. So beurteilten bei der letzten Befragung im September 2021 67 Prozent der gut 5000 Befragten ihre Situation als bedrückend – das sind nur vier Prozentpunkte weniger als im Februar 2021, als sich Deutschland mitten im zweiten Lockdown befand. Die seit August wieder verschärften Corona-Regeln und die Aussicht auf einen schwierigen Winter haben demnach deutliche Spuren in der Psyche hinterlassen. Bei der Erhebung im Februar gab fast die Hälfte der Probanden an, die Mitmenschen als rücksichtsloser zu erleben, ein Drittel machte sich Sorgen um die berufliche Zukunft und ein Viertel klagte über familiäre Belastungen. Der direkte, unmittelbare Kontakt zu Mitmenschen fehlte den meisten Befragten – und zwar zu verschiedenen Erhebungszeitpunkten und unabhängig davon, ob depressiv erkrankt oder nicht.
Allerdings wurde auch deutlich, dass viele Menschen bereichernde Erfahrungen mit der Corona-Pandemie verbinden: Jeweils rund 40 Prozent stimmten einer entsprechenden Aussage bei verschiedenen Befragungen zu. Dazu gehört, dass Hobbies wiederauflebten, alte Kontakte neuen Schwung bekamen und die Situation als Auszeit erlebt wurde.
„Solche positiven Aspekte können Menschen mit Depression jedoch nicht sehen“, schränkte Dr. Czaplicki ein. „Auch bei anderen Faktoren geht die Schere zwischen psychisch belasteten und unbelasteten Menschen in der Corona-Zeit auseinander.“
So stimmten 80 bis 87 Prozent der befragten Menschen mit Depression der Aussage zu, sich zu wenig zu bewegen, 75 Prozent hatten keine richtige Struktur mehr und sahen ihren Tagesablauf gestört und 55 bis 64 Prozent gaben an, mehr Zeit als sonst im Bett zu verbringen. Das sind jeweils deutlich höhere Werte als bei psychisch gesunden Menschen. Damit wurden durch die Maßnahmen der Corona-Pandemie gerade diejenigen Verhaltensweisen verstärkt, die für eine Depression nicht gut sind und die Stimmung verschlechtern. Denn besonders körperliche Aktivität gilt als wirksames Mittel im Kampf gegen Depression, weil sie zum Beispiel der depressiven Stoffwechsellage entgegenwirkt, Antriebslosigkeit verbessert und Ängste abbaut. Eine geregelte Tagesstruktur hilft dabei, sich zu beschäftigen und weniger zu grübeln. Weniger Schlaf hat einen therapeutischen Effekt.
Schwierige Lage bei den Unterstützungsangeboten
Auch die medizinische und psychotherapeutische Versorgung war in der Krise beeinträchtigt: Bei 48 Prozent der Befragten mit Depression wurden im letzten Jahr Behandlungstermine storniert, 13 Prozent haben die Termine selbst aus Angst vor Ansteckung abgesagt und bei 9 Prozent fiel ein geplanter Klinikaufenthalt aus – zum Teil, weil das Personal oder die Räumlichkeiten zur Behandlung von COVID-19-Patienten gebraucht wurden.
„Wer depressiv ist, fand vor allem im vergangenen Jahr schlechte Bedingungen vor“, resümierte Dr. Czaplicki. Diese Einschränkungen sind 2021 weniger geworden – auch weil digitale und telefonische Angebote für psychisch erkrankte Menschen auf dem Vormarsch sind. Noch werden sie selten genutzt, doch wenn sie zum Einsatz kommen, sind die Erfahrungen damit positiv. Im Vergleich zur Befragung 2017 werden inzwischen die Chancen von Online-Behandlungsprogrammen stärker gesehen und Bedenken gehen zurück. Ein Beispiel für die zunehmende Akzeptanz ist die Nutzung von iFightDepression. Das Online-Tool zur Selbsthilfe hatte nach Freischaltung zur allgemeinen Verfügung im Oktober 2020 mehr als Viermal so viele Nutzerinnen und Nutzer als im März 2020.
Weitere Veranstaltungen
Die Initiative Bündnisse gegen Depression bietet in den nächsten zwei Monaten weitere Online-Veranstaltungen an: am 8. Dezember 2021 zum Thema Depression im Alter und am 18. Januar 2022 zur Rolle der Angehörigen. Weitere Informationen und Anmeldung hier.
V.i.S.d.P. Susanne Herbel-Hilgert, stllv. Geschäftsführerin LZG
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