Wenn es plötzlich leise ist. Was tun bei einem Hörsturz?
Donnerstag,
16. Februar 2017
Einschränkung des Hörvermögens
Es ist schon ein beunruhigendes Gefühl, wenn von einer Minute oder gar Sekunde auf die andere das Hörvermögen schwindet. Ein Hörsturz fühlt sich an, als ob man in ein Ohr einen Wattepfropf gesteckt bekommen hätte – ohne Vorwarnung. Von einem Hörsturz können alle Altersgruppen betroffen sein, mehr als 150.000 Menschen erleiden ihn laut der Deutschen Tinnitus-Liga hierzulande jedes Jahr. Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen bestehen zusätzlich ein Pfeifen und ein Druckgefühl im Ohr auf derselben Kopfseite, 30 Prozent leiden zudem unter einem Schwindelgefühl. Es ist auch möglich, dass Betroffene geräuschempfindlicher werden, dass sie doppelt oder auch verzerrt hören oder dass es zu einem pelzigen Gefühl um die Ohrmuschel herum kommt.
Aufsuchen einer Hausarzt- oder Hals-Nasen-Ohren-Praxis
Sollten Sie betroffen sein, nehmen Sie die Hörstörung ernst und gehen Sie möglichst bald zu Ihrer Hausärztin beziehungsweise Ihrem Hausarzt, die oder der Sie in der Regel gut kennt. Die Ärztin oder der Arzt wird erste Untersuchungen durchführen, eine genaue Anamnese erheben und erste Behandlungsschritte einleiten. Bei Bedarf werden Sie zu Fachkollegen geschickt, wie etwa in eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis oder zum Röntgen in eine radiologische Praxis. Wenn Sie nicht sofort einen Termin bekommen, bewahren Sie trotzdem Ruhe, denn durch Stress können Sie das Ausmaß eines eventuell vorliegenden Hörsturzes verstärken. Ein Hörsturz ist zwar ein Eilfall, aber kein Notfall. Liegt ein massiver Hörsturz vor, sollte mit einer Behandlung baldmöglich begonnen werden. Bei leichten Hörverlusten ist die gute Nachricht: Es gibt eine hohe Rate von Spontanheilungen. Das heißt in einem Drittel bis zu zwei Drittel der Fälle bildet sich der Hörsturz innerhalb von 72 Stunden von alleine wieder zurück. Hier ist es erst dann angesagt, mit der Therapie zu beginnen.
Mögliche Ursachen eines Hörsturzes
Es ist zunächst einmal wichtig, abzuklären, ob es sich überhaupt ursächlich um einen Hörsturz handelt. Denn der Hörsturz kann auch in Begleitung einer anderen Erkrankung erscheinen. Oder ein Pfropf aus Ohrenschmalz befindet sich im Gehörgang und erschwert das Hören. Auch eine Mittelohrentzündung kann Ursache sein, diese ist aber zusätzlich mit Schmerzen verbunden. Möglicherweise handelt es sich auch um ein Lärm- oder Knalltrauma? Das ist der Fall, wenn das Innenohr durch kurz einwirkenden großen Lärm geschädigt wurde, wie durch einen Silvesterknaller, eine Schusswaffe oder Schreckschusspistole. Die Folge ist ein Hörverlust, der oft mit einem Tinnitus einhergeht. Als weitere Ursache kommt auch ein Barotrauma in Frage. Dies ist eine Druckverletzung, die beim Abstieg beim Tauchen, beim Landeanflug beim Fliegen, oder beim Aufprall beim Wasserspringen oder Wasserskifahren entstehen kann. Auch eine Ohrfeige kann die Ursache eines Barotraumas sein. Ein Barotrauma ist im Gegensatz zum Hörsturz auch mit Schmerzen verbunden. Eine weitere Ursache eines symptomatischen Hörsturzes kann eine Infektion mit Borrelien oder mit Herpes Zoster sein.
Diagnose des „echten“ Hörsturzes durch Ausschluss
Um diese Ursachen abzuklären, sind Betroffene in einer allgemeinärztlichen oder internistischen Praxis gut aufgehoben. Eventuell wird ihnen dort Blut abgenommen und zur Laboranalyse geschickt, damit Infektionen ausgeschlossen werden können. Denn: Die Diagnose „echter Hörsturz“ ist eine Ausschlussdiagnose – erst wenn alle anderen Ursachen ausgeschlossen sind, darf die Diagnose Hörsturz gestellt werden. Ein Hörsturz hat keine erkennbare Ursache. Als Auslöser werden Durchblutungsstörungen (Mikrozirkulationsstörungen) vermutet, weswegen der Hörsturz auch als Angina pectoris des Innenohrs bezeichnet wird. Ist die Durchblutung gestört, kann dies zu Beeinträchtigungen der Sinneszellen im Innenohr führen, so die Vermutung.
Therapiemöglichkeiten
Für die Therapie kommen entzündungshemmende und durchblutungsfördernde Medikamente zum Einsatz. Bevorzugt wird über drei bis sechs Tage hochdosiertes Cortison zum Einnehmen verabreicht. Alternativ kann das Cortison auch durch das Trommelfell in die Paukenhöhle injiziert werden. Dies geschieht mit örtlicher Betäubung, dreimal innerhalb von einer Woche. Diese Behandlung kommt vor allem dann in Betracht, wenn die orale Einnahme von Cortison nicht vertragen wird, oder wenn diese ohne Erfolg verlaufen ist.
Die psychische Einflussnahme
Wenn Sie von einem Hörsturz betroffen sind, sollten Sie auf jeden Fall begleitend zur Therapie einen Blick auf Ihr Leben werfen. Wie gehen Sie mit Stress um? Leiden Sie unter Zeitnot, Termindruck und Hektik? Hörsturzpatienten haben zwar nicht mehr Stress als andere Menschen, aber die psychosomatisch tätigen Ärzte mit langjähriger Berufserfahrung vermuten trotzdem, dass es Zusammenhänge gibt. So können Hörsturzpatienten im Allgemeinen ihr Leben zwar sehr gut managen und kommen auch mit den täglichen Anforderungen sehr gut klar. Doch dies gelingt nur bis zu einer gewissen Grenze. Ballen sich die Herausforderungen, scheinen Hörsturzpatienten sensibler als andere Menschen darauf zu reagieren und es kommt zu Gefühlen von Ohnmacht, Wut oder Schuld. Diese Gefühle bahnen den Boden für eine psychosomatische Reaktion, es kann zu vegetativen Entgleisungen, wie eben einem Hörsturz, kommen. Ein Hörsturz wäre somit eine Botschaft Ihrer Psyche, es langsamer angehen zu lassen. Vielleicht ist Ihr eigener Anspruch an sich selbst zu hoch? Nehmen Sie das eingeschränkte Hörvermögen als Auszeit wahr, um einmal über all das nachzudenken, was Sie leisten oder meinen, leisten zu müssen. Vielfach tut eine Entschleunigung des Lebens gut.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner
Redaktion: Marielle Becker
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