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Was ist das Reizdarmsyndrom?

Mittwoch, 16. März 2016

Magenverstimmungen sind in der Regel noch nichts Bedenkliches

Beschwerden wie Bauchgrimmen, Bauchkrämpfe und Blähungen kennt wohl jeder. Wenn diese nach ein bis zwei Tagen wieder vorbei sind, macht sich darüber niemand große Sorgen. Vor allem dann, wenn die Ursachen für die Beschwerden meist offensichtlich sind – wie etwa übermäßiges, schwer verdauliches Essen spät am Abend nach einem stressigen Tag. Instinktiv greifen wir dann zum richtigen Hausmittel, ganz so, wie es uns schon unsere Mütter oder Großmütter beigebracht haben: Wir essen zunächst einmal wenig oder gar nichts mehr und trinken Tee. Diese sogenannte Teepause ist ein probates Heilmittel bei einer Magenverstimmung, für Erwachsene genauso wie auch für Kinder. 

Wann kann es sich um ein Reizdarmsyndrom handeln?

Treten Magen- und Darmbeschwerden wie Blähungen, Blähbauch und Bauchschmerzen beziehungsweise Bauchkrämpfe öfter auf, vielleicht in Kombination mit Durchfall oder Verstopfung, kann dies auf ein sogenanntes Reizdarmsyndrom hinweisen. Das Reizdarmsyndrom ist zwar aus medizinischer Sicht relativ harmlos, aus subjektiver Sicht jedoch ist ein großes Unwohlsein damit verbunden. Für die Abklärung der Diagnose ist ein Besuch in der Hausarzt- oder Internistenpraxis notwendig, eventuell auch in einer Facharztpraxis, nämlich bei einer Gastroenterologin oder einem Gastroenterologen.

Diagnose des Reizdarmsyndroms

Bislang ist ein Reizdarmsyndrom nur nach dem Ausschlussverfahren festzustellen, denn es handelt sich dabei um eine chronische, wiederkehrende Darmerkrankung mit funktionellen Beschwerden, der keine konkrete organische Ursache zugrunde liegt. Das Ausschlussverfahren bedeutet, dass andere nachweisbare Erkrankungen mit ähnlichem Beschwerdebild ausgeschlossen werden. Zu diesen Krankheiten gehören zum Beispiel entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, eine Laktoseintoleranz sowie Darmkrebs. Mit medizinischen Messmethoden ist das Reizdarmsyndrom also nicht festzustellen. Den Kriterien der ärztlichen Fachgesellschaften zufolge müssen die Beschwerden länger als zwölf Wochen anhalten, um sie dem Reizdarmsyndrom zuordnen zu können. 

Der Begriff weist auf die Ursache hin

Weltweit leiden zehn bis 20 Prozent aller Menschen unter einem Reizdarmsyndrom. Der Begriff weist schon richtig auf die Ursache hin: Man hat festgestellt, dass der Darm überreizt reagiert. Schon bei normaler Darmfüllung wird ein Dehnungsreiz ausgelöst. Dann treten spontan oder unter Stress häufigere und irreguläre Darmkontraktionen auf. In dessen Folge kommt es zur Stuhlentleerung und zu krampfartigen Schmerzen. In solchen Fällen sind die Dehnungsreizschwelle und die Schmerzschwelle erniedrigt. Geschieht dies über Jahre hinweg, werden die Darmnerven stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Darmnerven bilden das sogenannte enterische Nervensystem. Hierbei handelt es sich um ein über fast den gesamten Magen- und Darmtrakt ausgebreitetes Nervengeflecht , das beispielsweise die Verdauung steuert und unabhängig von den anderen vegetativen Nerven arbeitet. 

Neue Messmethoden und Therapieoptionen?

Derzeit wird intensiv an Messmethoden geforscht, die die Diagnose vereinfachen sollen. So hat die Technische Universität München herausgefunden, dass die Darmwand von Reizdarmpatienten wohl wegen einer über die Jahre starken Reizung unsensibel geworden ist. Das heißt, die Darmwand hat quasi eine Art Schutzmaßnahme entwickelt, um eine Überreizung zu vermeiden. Trotzdem werden bei Reizdarmpatienten Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet, die die typischen Beschwerden auslösen. Man hofft, dass aufgrund dieser Forschungsergebnisse in Zukunft neue Therapieoptionen zur Verfügung stehen. 

Belastung des enterischen Nervensystems

Bei der Therapie des Reizdarmsyndroms spielt die Minderung der Überreizung die wichtigste Rolle. Dabei ist es wichtig zu wissen, was genau diese Überreizung auslöst. Diese geht vor allem auf psychischen Stress zurück, der bei den Menschen stark ausgeprägt ist, die schon vor Beginn der Magen-Darmbeschwerden unter einer pathologischen Ängstlichkeit litten, möglicherweise durch verletzende Kindheitserlebnisse oder sonstige Traumatisierungen. Magen und Darm sind bei vielen Menschen der Ort, an dem sich psychische Belastungen niederschlagen. Kommen weitere Störfaktoren hinzu, wie unregelmäßige Nahrungsaufnahme, noch dazu unter Zeitdruck, fette Speisen, Süßigkeiten, zu viel Kaffee und Alkohol, Zigaretten, Aufputschmittel und wenig Schlaf, dann wird unser enterisches Nervensystem weiter belastet. Es hält dies auf Dauer nicht aus und rebelliert – mit einem Reizdarmsyndrom.

Behandlung des Reizdarmsyndroms

Um psychische Belastungen reduzieren zu können, kann es sinnvoll sein, sich seine tiefen Ängste und Belastungen genau anzuschauen und sie aufzuarbeiten, vielleicht im Rahmen einer Psychotherapie. Unterstützend wirken beim Reizdarmsyndrom natürliche Mittel wie Pfefferminz- und Kümmelöl, sowie Milchpräparate mit dem probiotischen Lactobacillus-Keim. Außerdem helfen insbesondere gegen die Schmerzen gering dosierte und nicht süchtig machende Antidepressiva, denn bei der Schmerzverarbeitung spielt die nervale Darm-Hirn-Achse eine wichtige Rolle. Je nach Beschwerdebild kommen auch krampflösende Medikamente und Mittel gegen Durchfall oder Verstopfung zum Einsatz sowie gelegentlich Antibiotika. 

Aufsuchen einer geeigneten Praxis

Wenn Sie unter den genannten Beschwerden leiden, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt. Eine Eigenbehandlung auf gut Glück und nach dem Motto „das probiere ich mal aus“ ist beim Reizdarmsyndrom nicht zu empfehlen, denn dafür ist das Krankheitsbild zu komplex.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner
Redaktion: Marielle Becker


 

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