Qigong – Übungen für Körper, Geist und Seele
Dienstag,
1. November 2016
Unser Alltag wird einerseits immer stressiger – andererseits bewegen wir uns immer weniger. Dabei wäre mehr Bewegung für die Gesundheit gut und auch hilfreich gegen die Stresssymptome. Eine Möglichkeit, die entspannend wirkt und gleichzeitig mehr Bewegung in den Alltag bringt, ist das Qigong. Sie kennen Qigong möglicherweise von Bildern aus seinem Ursprungsland China: Wenn Menschen seelenruhig im Park stehen und mit den Händen langsam unsichtbare Bögen nachziehen, dann praktizieren sie vielleicht Qigong.
Was ist Qigong?
Das Wort Qigong kann übersetzt werden mit „Übungen mit der Lebensenergie“. Durch eine spezielle Atemtechnik, bestimmte Körperhaltungen und -bewegungen und meditative Konzentration soll die Lebensenergie Qi im Körper gelenkt und vermehrt werden. Wenn es dabei um sanfte Bewegungen geht, spricht man vom „medizinischen“ oder vom „spirituellen Qigong“. Das ist das, was wir im Park sehen und womit wir uns hier beschäftigen. Das „Gong Fu Qigong“ oder „Kung Fu Qigong“ ist die kämpferische Form. Diese ist uns ebenfalls bekannt, vor allem durch Shaolin-Mönche, die Bretter mit bloßen Händen zerschlagen.
Die vier bekanntesten Übungsformen
Die Grundformen des Qigong gehen der Legende nach auf Tierbeobachtungen vor fast 2.000 Jahren zurück. Dem chinesischen Arzt Hua Tuo war damals aufgefallen, dass Tiere im Vergleich zum Menschen eine bessere Gesundheit besitzen. Er führte diese auf ihre regelmäßigen Bewegungsfolgen zurück, die er beobachtete und daraus das „Spiel der fünf Tiere“ entwickelte, in denen er Körperhaltungen und -bewegungen von Kranich, Bär, Hirsch, Affe und Tiger nachahmte. Beim Tiger wird beispielsweise dargestellt, wie er seine Beute fängt, dazu werden Tigerklauen geformt und kraftvoll nach vorne geworfen. Neben dem „Spiel der fünf Tiere“ gibt es weitere bekannte Formen, wie „Die Wandlung des Gewebes“, „Die acht edlen Brokate“ oder „Die sechs heilenden Laute“.
Was ist bei den Übungen zu beachten?
Alle Übungen werden langsam und unter gleichmäßigem Atmen durchgeführt. Je nachdem, wieviel Zeit zur Verfügung steht, wird eine Übung einmal oder mehrfach durchgeführt. Viele Übungen lassen sich auch im Sitzen oder Liegen praktizieren. Wichtig beim Üben ist, darauf zu achten, körperlich und geistig zur Ruhe zu kommen, dabei zunächst die Gedanken zu sortieren und sie dann loszulassen. Nur wenn man sich ganz auf die Übungen einlässt, entfalten sie ihre entspannenden und gesundheitlichen Wirkungen. Dabei sensibilisieren sie für den eigenen Körper und dessen Signale. Und diese Fähigkeiten helfen auch im Alltag für ein Leben im Einklang mit der Natur.
Die gesundheitsfördernde Wirkung im Allgemeinen
Qigong wirkt beruhigend und entspannend, aber nicht nur das: Das regelmäßige Üben bringt auch jede Menge positive gesundheitliche Wirkungen mit sich. So beugt es Krankheiten vor, stärkt das Immunsystem und die Selbstheilungskräfte. Außerdem fördert Qigong die körperliche Beweglichkeit, die geistige Konzentrationsfähigkeit und verbessert die emotionale Stimmungslage.
Therapeutische Auswirkungen bei einzelnen Krankheitsbildern
Mittlerweile gibt es sogar Studien, welche die therapeutischen Auswirkungen bei Krankheiten belegen: Bei Bluthochdruckpatienten wurde zum Beispiel nach einer Übungsphase von acht Wochen, tägliches Üben von zweimal 15 Minuten vorausgesetzt, eine Senkung des Blutdrucks um 15 bis 20 mmHg festgestellt. Bei Asthma hilft es, die Stärke der Anfälle zu lindern; die Lungenfunktion wird insgesamt verbessert. Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen – Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa – scheint das regelmäßige Üben regulierend auf das Immunsystem einzuwirken und hilft somit, die Verdauung wieder in Balance zu bringen. Für Multiple Sklerose gibt es bereits spezielle Qi-Gong-Übungen. Hohe Muskelanspannungen, die für diese Krankheit typisch sind, können dadurch vermindert und positive Auswirkungen auf Krankheitsschübe eventuell erreicht werden. Deswegen wird Qigong bei Multipler Sklerose auch als begleitende Therapie empfohlen.
Wie und wo kann man Qigong lernen?
Um Qigong zu lernen, sollten Sie einen Kurs belegen. Denn das Praktizieren von Qigong ist ein Mittel der Selbstkultivierung, das durch Instruieren und Übertragen durch eine Lehrerin oder einen Lehrer weitergegeben wird. Qigong aus Büchern und ohne anleitende Person zu erlernen, ist wie raten statt interpretieren. Seien Sie geduldig und ausdauernd, bis sich die ersten spürbaren Heilwirkungen einstellen und üben Sie regelmäßig, damit die Wirkungen anhalten. Außerdem sollten Sie innerlich mitarbeiten und sich selbst mit Ihren Wünschen, Gefühlen und Ansichten über die Welt in den Hintergrund stellen. Kurse gibt es in Volkshochschulen, sie werden von Krankenkassen angeboten und teilweise auch in Sportvereinen durchgeführt.
Qigong zum Start in den Tag
Und noch ein Tipp, wie Sie sich kurzfristig mit einer an Qigong angelehnten Atemtechnik einen guten Start in den Tag verschaffen können: Stehen Sie morgens ein paar Minuten früher als gewohnt auf. Setzen Sie sich aufrecht hin, die Augen dürfen Sie noch halb geschlossen halten. Dann atmen Sie für ein paar Minuten bewusst tief ein und aus. So gleiten Sie langsam und bewusst vom Schlafbewusstsein in das Tagesbewusstsein hinüber.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner
Redaktion: Marielle Becker
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