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Gluten-Unverträglichkeit – Wenn Brot krank macht

Freitag, 1. März 2019

Brot ist hierzulande vom täglichen Speiseplan kaum wegzudenken. Doch immer mehr Menschen verzichten auf Brot. Sie vertragen einen Bestandteil nicht, der in allen gängigen Sorten enthalten ist: das Gluten.

Was ist Gluten?

Gluten ist ein Oberbegriff für verschiedene Klebereiweiße. Es ist in den klassischen Brotgetreidearten wie Weizen, Dinkel, Roggen oder Gerste in unterschiedlichen Mengen und Zusammensetzungen enthalten und verleiht dem Brotgetreide seine Backfähigkeit. Empfindliche Menschen reagieren auf den Verzehr von klassischen Brotwaren mit Verdauungsbeschwerden – etwa mit Blähungen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall. Auslösende Ursache hierfür kann Gluten sein.

Unverträglichkeit, Sensitivität oder Zöliakie?

Da das Thema „Glutenunverträglichkeit“ in den letzten Jahren enorm in den Fokus von Medien und Lebensmittelindustrie gerückt ist, und sich viele Menschen mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen fühlen, lohnt eine Begriffsklärung. Denn nicht jede Reaktion auf Gluten ist medizinisch betrachtet eine Erkrankung.

Bei der Zöliakie, der extremen Form der Glutenunverträglichkeit, ist dies jedoch der Fall. Sie zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Bereits kleinste Mengen von Gluten lösen bei den Betroffenen eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. Entscheidend ist jedoch, dass eine erbliche Veranlagung besteht. Anhand von Blutuntersuchungen und Gewebeproben aus dem Dünndarm ist eine Zöliakie eindeutig zu diagnostizieren. Den Erkrankten bleibt als einzige Behandlung der lebenslange konsequente Verzicht auf glutenhaltige Produkte. Früher wurde auch häufig der Begriff „einheimische Sprue“ verwendet, wenn die Zöliakie erst im Erwachsenenalter auftrat. Eine solche Unterscheidung in Abhängigkeit des Diagnosezeitraums wird heute nicht mehr getroffen.

Eine andere Form der krankhaften Glutenunverträglichkeit ist die Weizenallergie. Sie stellt eine krankheitsauslösende Abwehrreaktion des Körpers auf unterschiedliche Proteine im Weizen dar. Je nach Allergen und Immunmechanismus werden verschiedene Formen der Weizenallergie beschrieben, eine davon ist die gegen das Kleberweiß Gluten. Betroffene zeigen relativ rasch nach dem Verzehr glutenhaltiger Getreide typische Symptome einer Lebensmittelallergie wie Atemwegs- und Hautreaktionen. Nachweisen lässt sich die Weizenallergie durch einen Hauttest, den sogenannten Pricktest, und eine Blutuntersuchung. Beide Erkrankungen, sowohl die Zöliakie als auch die Weizenallergie, sind sehr selten und erfordern eine ernährungstherapeutische Intervention.

Die meisten Menschen, die über vorwiegend gastrointestinale Beschwerden nach dem Genuss von Getreideprodukten klagen, dürften an einer minder schweren Glutenunverträglichkeit, der sogenannten Glutensensitivität, leiden. Sie ist medizinisch derzeit nicht nachweisbar. Die Diagnose wird gestellt, wenn bei entsprechender klinischer Symptomatik sowohl eine Zöliakie als auch eine Weizenallergie ausgeschlossen werden können. Im Unterschied zu Zöliakiepatienten müssen Glutensensitive in aller Regel nicht komplett auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten.

Zöliakie und ihre Folgen

Menschen, die unter einer Zöliakie leiden, können das Klebereiweiß Gluten im Körper nicht vollständig abbauen. Unverdaute Bruchstücke rufen im Dünndarm Immunreaktionen und Entzündungsprozesse hervor, die die Darmschleimhaut schädigen. Durch die permanent vorhandene Entzündung der Darmschleimhaut bilden sich die Ausstülpungen, die sogenannten Darmzotten, zurück. In der Folge verringert sich die innere Oberfläche des Dünndarms, was zu einer schlechteren Verwertung der Nahrungsbestandteile führt. Zöliakie Betroffene leiden daher häufig unter den Folgen einer unzureichenden Nährstoffversorgung, etwa durch zu wenig Eisen. Eine Eisenmangelanämie oder Blutarmut kann also ihre Ursache in einer Glutenunverträglichkeit haben. Auch Vitamin B12, Folsäure, Vitamin K, Magnesium und Zink werden meist nicht so gut aufgenommen, ebenso werden die energieliefernden Nährstoffe wie Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate schlechter verwertet. Die Darmentzündung führt auch zu einem Mangel an Verdauungsenzymen, die normalerweise im Bereich der Darmschleimhaut des Dünndarms ihre Funktion erfüllen. Betroffen ist beispielsweise die Laktase, die zur Spaltung von Milchzucker benötigt wird. Deshalb leiden unbehandelte Patientinnen und Patienten meist gleichzeitig unter einer Milchzuckerunverträglichkeit, auch Laktoseunverträglichkeit genannt.

Anzeichen einer Zöliakie sind häufig Blähungen und ein aufgetriebener Bauch, weil im Darm verbleibendes Eiweiß durch Darmbakterien zersetzt wird, die unterschiedliche geruchsintensive oder geruchsneutrale Gase bilden. Durchfall, Erbrechen und Appetitlosigkeit sind weitere mögliche Symptome, ebenso Müdigkeit, Leistungsabfall und Stimmungsschwankungen. Schäden an Herz, Schilddrüse und Bauchspeicheldrüse können ebenfalls mit der Zöliakie einhergehen. Aufgrund des vielfältigen Beschwerdebildes stuft man die Zöliakie heute als „systemische Erkrankung“ ein und nicht wie früher nur als chronische Darmentzündung.

Tipps für den Alltag mit Zöliakie

Wenn Sie die Diagnose Zöliakie erhalten, sind folgende Tipps für Sie ganz wichtig:

  • Die Entzündung im Dünndarm klingt ab, wenn Sie sich glutenfrei ernähren. Besserung tritt meist nach wenigen Tagen glutenfreier Ernährung ein. Die Zeit bis zur Beschwerdefreiheit ist jedoch unterschiedlich lang. Wichtig ist auch dann: Brechen Sie die glutenfreie oder glutenreduzierte Ernährung nicht ab!
  • Vor allem Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste sind bei Zöliakie nicht erlaubt. Hafer ist für viele Betroffene recht gut verträglich, eine generelle Empfehlung dafür gibt es jedoch nicht. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin sowie die beratenden Ernährungsfachkräfte werden Ihnen mitteilen, was Sie essen dürfen.
  • Gluten ist nicht nur in Brot und Backwaren enthalten, es kann auch in vielen anderen Lebensmitteln versteckt sein. Finden Sie heraus, ob die Nahrungsmittel glutenfrei sind oder nicht, indem Sie die Zutatenlisten studieren oder beim Verkaufspersonal beziehungsweise in der Küche nachfragen.
  • In Reformhäusern und auch in Supermärkten gibt es glutenfreies Brot. Erkundigen Sie sich, ob es in vollkommen glutenfreier Umgebung gebacken wurde: Schon die geringen Mengen, die in einer normalen Backstube über die Luft in den Teig gelangen, können Beschwerden auslösen.
  • Bier – der sogenannte Gerstensaft – enthält Gluten, weshalb Sie es meiden oder nach einer Gluten-freien Sorte Ausschau halten sollten.
  • Seien Sie achtsam bei Zahncreme und Kosmetika. Auch sie können Gluten enthalten! Prüfen Sie die Inhaltsstoffe auf entsprechenden Produkten, die mit dem Mund in Berührung kommen.
  • Ist nach drei bis sechs Monaten glutenfreier Ernährung keine eindeutige Besserung eingetreten, sollten Sie sich auf zusätzliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder andere Darmerkrankungen untersuchen lassen.

Glutensensitivität – eine Modeerscheinung?

Manche Fachleute führen den Anstieg der Glutenunverträglichkeit auf die Präsenz des Themas in der Öffentlichkeit und das große Angebot an „Frei-von“-Produkten in den Supermärkten zurück. Beides verleite oft zu einer Selbstdiagnose, die medizinisch dann nicht zu belegen ist. Gleichwohl leiden viele Menschen unter ganz ähnlichen Symptomen wie an Zöliakie Erkrankte und empfinden Besserung, wenn sie auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten. Für diese Zusammenhänge gibt es bislang keine wissenschaftliche Erklärung. Möglicherweise werden die Beschwerden auch durch andere Nahrungsbestandteile ausgelöst.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt davor, sich ohne Not ausschließlich von sogenannten „Frei-von“-Produkten zu ernähren. Etliche glutenfreie Lebensmittel haben einen vergleichsweise höheren Fettgehalt, während der Anteil an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen geringer ist. Dies könne bei dauerhaftem Verzehr zu Gesundheitsproblemen führen.

Ein paar Tipps für Glutensensitive:

  • Wenn Sie es einigermaßen vertragen, sollten Sie nicht komplett auf die positiven Eigenschaften des Getreides verzichten. Meiden Sie jedoch lockeres, luftiges Brot, dem meist zusätzliches Gluten beigegeben wurde.
  • Achten Sie darauf, dass Sie durch übermäßigen Verzicht die Freude am Essen und am Genuss nicht verlieren. Schlimmstenfalls könnte dies zu einer Essstörung führen.
  • Lassen Sie sich nicht allzu leicht verunsichern. Überlegen Sie, ob die eine oder andere körperliche Reaktion vielleicht zum natürlichen Verdauungsprozess gehört – Blähungen beispielsweise sind in einem gewissen Umfang völlig normal.

Bleiben Ihre Beschwerden bestehen, sollten Sie natürlich Ihre Ärztin oder Ihren Arzt erneut ansprechen. Möglicherweise rühren die Beschwerden auch von einer anderen Form der Unverträglichkeit oder einer anderen Darmerkrankung her.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner www.beatrice-wagner.de
Redaktion: Monika Seibel


Weiterführende Links

Tipps und Infos, Rezepte, Fortbildungen und mehr finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Zöliakie

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.:

Aktuelle Forschungsergebnisse zur Glutensensitivität


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