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Gemeinsam sind wir stark – Können Selbsthilfegruppen auch in der Corona-Pandemie unterstützen?

Montag, 1. März 2021

Vor gut einem Jahr wurde aufgrund der Corona-Pandemie das öffentliche Leben in Deutschland nach und nach heruntergefahren, bis schließlich Mitte März Ausgangs- und Kontaktregeln auch den direkten Umgang miteinander einschränkten. Treffen von mehreren Menschen aus verschiedenen Haushalten mussten unterbleiben – eine Ansage, die Selbsthilfegruppen in ihrem Kern traf und zu großer Verunsicherung bei den Betroffenen führte. Mittlerweile dürfen sich Selbsthilfegruppen in Rheinland-Pfalz unter Einhaltung der geltenden Hygieneregeln wieder treffen, und auch viele digitale Angebote wurden inzwischen etabliert.

Gebündelte Gesundheitskompetenz für ein selbstbestimmtes Leben

Selbsthilfegruppen sind eine wichtige Säule des Gesundheitssystems und werden beispielsweise durch Krankenkassen oder staatliche Stellen gefördert. In Deutschland treffen sich circa drei Millionen Menschen regelmäßig in Selbsthilfegruppen. Sie finden zusammen, weil sie ähnliche Belastungen, Erkrankungen oder Probleme haben, über die sie sich austauschen und bei deren Bewältigung sie sich gegenseitig unterstützen.

Die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe können aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, Berufen oder Altersgruppen kommen – gemeinsam ist ihnen das Thema, das sie beschäftigt. Das kann beispielsweise eine bestimmte Krankheit oder Behinderung sein, aber auch Trauer, Trennung oder ein anderes einschneidendes Lebensereignis. Auch indirekt Betroffene, beispielsweise die Eltern chronisch kranker Kinder oder die Angehörigen von suchterkrankten oder pflegebedürftigen Menschen, schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen.

Selbsthilfegruppen dienen nicht nur dem Informations- und Erfahrungsaustausch, sondern leisten auch einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung des Alltags. Sie bieten den Teilnehmenden emotionale Unterstützung und stärken ihre Motivation, mit Problemen konstruktiver umzugehen. Studien haben gezeigt, dass Menschen schneller gesund werden, wenn sie ihre Krankheit nicht alleine tragen müssen, sondern ihnen jemand beisteht. Das Bindungshormon Oxytocin, das immer dann ausgeschüttet wird, wenn man sich in einer Beziehung oder in einer Gruppe wohlfühlt, spielt hier eine wichtige Rolle. Es ruft ein Gemeinschaftsgefühl hervor und verringert zudem die Auswirkungen von Stress. Der Austausch in den Selbsthilfegruppen unterstützt also in erheblichem Maße den Entwicklungsprozess und die psychische Stabilisierung.

Ganz wichtig ist den meisten Gruppenmitgliedern der persönliche Kontakt. Präsenztreffen sind zwar jetzt wieder erlaubt, sie kommen aber für viele Betroffene, zum Beispiel Angehörige von Risikogruppen, derzeit nicht in Betracht. Zu stark sind die Bedenken, sich und damit kranke Familienmitglieder in Gefahr zu bringen. Wie in anderen Lebensbereichen werden daher auch in der Selbsthilfe zunehmend digitale Formen der Zusammenkunft genutzt.

Selbsthilfe mit Headset und Monitor

Genau wie eine Beratung funktioniere Selbsthilfe grundsätzlich auch digital, sagt Elfi-Gül Hollweck, Leiterin der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS) Mainz und der WeKISS (Westerwald). Daher habe der GKV-Spitzenverband in seinem Leitfaden zur Selbsthilfeförderung vom 1.1.2021 digitale und analoge Formate gleichgestellt. Die Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfe in Rheinland-Pfalz können daher bestehende und neue Gruppen bei der Digitalisierung zielgerichtet unterstützen.

Die KISS Mainz hat gleich zu Beginn der Pandemie einen digitalen Leitfaden zur Verfügung gestellt, in dem verschiedene Konferenz-Tools mit ihren Vor- und Nachteilen, etwa bezüglich der Barrierefreiheit, vorgestellt werden. Auch Grundregeln für die Kommunikation per Videokonferenz sind hier festgehalten. Ebenso wird auf die Risiken im Datenschutz und die Möglichkeit, sich unter Pseudonym und ohne Bild anzumelden, hingewiesen.

Die Kontaktstellen begleiten die Digitalisierung von Gruppenprozessen und stellen insgesamt 15 digitale Räume zur Verfügung, die Selbsthilfegruppen kostenlos nutzen können. Für Personen, die Gruppen leiten, wurden zudem Schulungen eingerichtet. Um die Angst vor der Technik zu nehmen, bietet die Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle Trier e.V. (SEKIS) sogenannte „Probierstunden“ an, in denen man probeweise eine Videokonferenz durchführen kann.

War die Scheu vor dem neuen Medium anfangs groß, werden digitale Angebote mittlerweile gut angenommen. „Natürlich sehnen sich alle nach dem unbeschwerten persönlichen Kontakt“, berichtet Elfi-Gül Hollweck. „Aber die meisten Betroffenen finden ein digitales Treffen besser als gar kein Treffen.“

Digitalisierung erschließt neue Themen und Altersgruppen

Menschen, die keine Möglichkeit haben, an digitalen Formaten teilzunehmen, werden auf andere Weise betreut, wenn sie dies wünschen – etwa telefonisch. Wer ein Selbsthilfeangebot sucht, solle sich an eine der rheinland-pfälzischen Kontaktstellen wenden, bittet Hollweck. Neben der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS) in Mainz sind dies für den südlichen Landesteil die KISS Pfalz - Selbsthilfetreff Pfalz e.V., im Norden die WeKISS – Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe sowie im Raum Trier die SEKIS – Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle e.V. Trier. Die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen, die Hilfesuchenden an die richtige Stelle zu vermitteln.

Andreas Schleimer, Sprecher der LAG KISS RLP (Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützung in Rheinland-Pfalz) und Vorstand der SEKIS Trier, sieht auch Chancen in der Digitalisierung. Durch sie werde die Selbsthilfe individueller, dynamischer und flexibler. „Viele Menschen haben noch ein sehr verstaubtes Bild von der Selbsthilfebewegung“, stellt er fest. Gerade für jüngere Menschen aber seien beispielsweise Online-Foren ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Selbsthilfe. Auch die Regionalität spiele online kaum noch eine Rolle, was beispielsweise Treffen von Menschen mit sehr seltenen Erkrankungen enorm erleichtere. Selbst auf internationaler Ebene ist ein Austausch auf diese Weise möglich.

Corona-Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegruppen von Corona-Betroffenen entstehen derzeit in ganz Deutschland. Covid-19-Erkrankte schließen sich genauso zusammen wie indirekt Betroffene. Das können Angehörige von Erkrankten sein oder Menschen, die unter der Isolation leiden oder deren Einkommen weggebrochen ist. In Rheinland-Pfalz sind derzeit drei Gruppen in Gründung. Wer eine Gruppe sucht oder gründen möchte, wendet sich an die regionalen Kontaktstellen – sie helfen sowohl bei der Vermittlung als auch bei Umsetzung eines neuen Angebots. „Ging es bisher in erster Linie um Risiken und Schutz rund um die Corona-Krise, werden uns jetzt die Folgen von Covid19-Erkrankungen herausfordern und noch lange beschäftigen“, formuliert Otmar Wegerich, Vorsitzender der KISS Pfalz, die Aufgaben der Zukunft.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Susanne Schneider, www.freistil-texte.de
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de


Weiterführende Links

Regionale Kontakt- und Informationsstellen in Rheinland-Pfalz:

KISS Mainz Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe

KISS Pfalz Selbsthilfetreff Pfalz e.V.

SEKIS – Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle e.V. Trier

WeKISS – Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe


 

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