Das chronische Müdigkeitssyndrom (CFS/ME)
Samstag,
1. April 2017
Die Frühjahrsmüdigkeit liegt hinter uns, ebenso die Zeitumstellung. Und dennoch gibt es einige Menschen, die den ganzen Tag über eine bleierne Müdigkeit verspüren, ohne dass ihnen ein Grund dafür bekannt ist. Sie leiden unter einer krankhaften Erschöpfung, bei der, im Gegensatz zur normalen Erschöpfung, die Energie nicht durch Ruhe sofort wiederhergestellt werden kann. Auch durch noch so viel Ausruhen und Schlafen verschwindet die Müdigkeit nicht. Das muss keine Einbildung sein, vielmehr leiden Betroffene möglicherweise unter dem chronischen Müdigkeitssyndrom. Es ist auch unter den Namen chronisches Fatigue-Syndrom (daher auch die Abkürzung CFS) und myalgische Enzephalopathie (ME) und neuerdings unter Systemische Belastungsintoleranz-Erkrankung bekannt. Laut Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom sind in Deutschland schätzungsweise 300.000 Menschen davon betroffen, am häufigsten Frauen zwischen 20 und 50 Jahren. Leider ist die Krankheit noch wenig erforscht. Es gibt weder eine verbindliche Definition in der internationalen Klassifikation der Krankheiten, der sogenannten ICD10, noch ärztliche Behandlungsleitlinien. Die folgenden Empfehlungen könnten sich also im Laufe der Jahre wieder ändern.
Das Krankheitsbild
Unter dem CFS verstehen Mediziner ein sehr vielschichtiges Krankheitsbild. In erster Linie gehört dazu, als Leitsymptom, ein Erschöpfungszustand. Dieser kann sich nach einer körperlichen aber auch intellektuellen psychisch-sozialen Beanspruchung einstellen. Das Besondere: Die Erschöpfung ist deutlicher ausgeprägt, als man es sonst von sich kennt, und sie weicht auch nach einem ausgiebigen Schlaf oder einer Ruhepause nicht. Von einer CFS spricht man, wenn die schnelle Erschöpfbarkeit zu einem Dauerzustand wird, der seit mindestens sechs Monaten besteht, und für den es keine andere Ursache gibt. Hinzu kommen Nebensymptome, die jedoch nicht alle auftreten müssen. Dazu gehören: Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Halsschmerzen, druckempfindliche Lymphknoten am Hals oder unter den Achseln, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, neuartige Kopfschmerzen und generell nichterholsamer Schlaf.
Ursachen
Die genauen Ursachen und Auslöser der chronischen Erkrankung sind bisher unbekannt. Die Vermutung geht dahin, dass das Immunsystem entweder geschwächt oder fortwährend aktiviert ist, was in Verbindung mit bestimmten Stresshormonen, Viren oder seelischen Belastungen die Krankheit ausbrechen lässt. In einer Studie der Universität Würzburg im Auftrag der US-amerikanischen Hilfsorganisation zur Erforschung des Chronischen Müdigkeitssyndroms wird derzeit geprüft, ob das Humane Herpes Virus-6 (HHV-6) dahintersteckt. Dieses hat unter anderem Einfluss auf die Kraftwerke einer jeden Körperzelle, die Mitochondrien. Das könnte die bleierne Müdigkeit nach Ausbruch der Krankheit erklären.
Therapie
In Argentinien wurde Mitte 2016 als weltweit erste Substanz der Wirkstoff Rintatolimod für die Behandlung schwerer Krankheitsverläufe von CFS zugelassen. Die Wirkweise basiert auf einer Immunmodulation. Dabei wird das Immunsystem durch pharmakologisch wirksame Stoffe beeinflusst.
Da es jedoch hierzulande noch keine ursächliche Behandlung gibt, richtet sich die Therapie nach den Symptomen. Diese besteht aus folgenden Bestandteilen:
- Schmerzmittel, zum Beispiel bei Gelenk-, Muskel- oder Kopfschmerzen
- Psychotherapie, um mit den Schmerzen umgehen zu können. Hier hilft vor allem die kognitive Verhaltenstherapie. Eine Wirkung der Psychoanalyse konnte hingegen nicht nachgewiesen werden.
- Entspannungsverfahren, vor allem bei Schlaflosigkeit
- Gesunde Ernährung mit ausreichend vielen Vitaminen und Mineralstoffen, sowie einem Meiden von Schadstoffen und Genussgiften. Das hilft, die Beschwerden von CFS zu verringern.
Für erkrankte Personen gilt: Versuchen Sie, der bleiernen Müdigkeit zu entrinnen, wann immer Sie sich stark genug fühlen. Wenn Sie ihr zu oft nachgeben, kann sich die Erkrankung eher weiter verschlechtern. Dies kann jedoch auch der Fall sein, wenn Sie sich überstrapazieren. Am besten ist es, Sie halten es mit der Devise: So viel Belastung wie möglich, so viel Schonung wie nötig.
Die Situation für die Erkrankten
Da die Krankheit noch so wenig erforscht ist, fühlen sich Betroffene oftmals einem Unverständnis ausgesetzt – und zwar im privaten und beruflichen Umfeld, als auch im medizinischen Kontext. Damit haben Erkrankte oft Schwierigkeiten, irgendeine Form der Unterstützung zu bekommen. Doch sie leiden nicht unter einer psychosomatischen, sondern unter einer neurologischen multisystemischen Erkrankung. In der ICD10 wird sie unter den „sonstigen Gehirnerkrankungen“ aufgeführt. Unsere Empfehlung für an CFS erkrankte Menschen lautet daher: Setzen Sie sich mit einer Patientenorganisation in Verbindung. Dann können Sie sich an Ihrem Heimatort mit Gleichgesinnten austauschen, von Erfahrungen anderer Betroffener profitieren und sich gegenseitig stärken.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner
Redaktion: Marielle Becker
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